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Sterbefasten- ein großes, wirkendes Wort. Experten und Interessierte wissen: Es ist ein heikles Terrain. Alleine schon darüber zu sprechen und sich dafür zu entscheiden erst Recht.

Sterbefasten- ein großes, wirkendes Wort. Experten und Interessierte wissen, es ist ein heikles Terrain. Alleine schon darüber zu sprechen und sich dafür zu entscheiden erst Recht. 
Hier eine Erläuterung für ein besseres Verständnis zum Thema:

  • Eine Person entscheidet sich dazu die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu beenden

  • Das Ziel dieser Entscheidung ist den Eintritt des Todes zu beschleunigen

  • Die Entscheidung ist freiwillig und die Person trifft sie ohne äußeren Zwang oder Druck

Der Tod zählt schon und immer noch zu den großen Tabus unserer Zeit und Sterbefasten scheint ein Tabu im Tabu zu sein. Sabine Mehne nimmt sich diesem Thema mit einer unfassbar reflektierten Art an und berichtet abwägend ausgeglichen aber auch emotional, oft sachlich durch Fakten und Recherchen aber auch persönlich von ihrem Weg zu der Entscheidung ihr Leben selbstbestimmt enden zu lassen.

Der Weg zu einer endgültigen Entscheidung

Ich lese den Titel “Ich sterbe, wie ich will” und es liest sich wie ein tabubrechender, leicht provokanter Ausruf- wie ein Aufstampfen, mit verschränkten Armen und einem selbstbewussten Blick. Doch bereits auf den ersten Seiten bin ich sofort Teil einer weniger aufgeregten als viel mehr angenehm intensiven Reise zu einer Entscheidung, die das Leben verändert, weil sie es beenden wird. 

Sabine Mehne schildert den Weg durch ihre Krebserkrankung, berichtet von ihrer sie nachhaltig prägenden Nahtoderfahrung und der Sinnsuche, die sie durch die Konfrontation mit dem Tod intensiviert, wie vielleicht noch nie zuvor. Dabei scheint es als wäre die Entscheidung zum Sterbefasten ein großes Puzzle, zusammengesetzt aus gesundheitlichen Aspekten, der großen Reflektion zum Leid, das man ertragen kann und will, dem tiefen Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmtheit und auch zum großen Teil aus Liebe zu sich und vor allem zum Leben.

Inspiration für das Hinterfragen der eigenen Auffassung

Obwohl das Buch auf einer persönlichen Geschichte, auf einem natürlich einzigartigen Leben fußt, so ist doch alles auf dem Weg zu Sabine Mehnes Entscheidung so wunderbar ausführlich recherchiert und geschildert, dass man selbst eine neutrale Grundlage entwickeln kann, um über das Thema nachzudenken. Ganz grundsätzliche Fragen werden gestellt und beantwortet, angefangen mit der Bedeutung von wirklich freiwilligen und unfreiwilligen Entscheidungen im Leben, über den Unterschied zwischen Lebensverlängerung und Sterbeverlängerung bis hin zu zwischenmenschlichen Normen und der Entwicklung eines ganz individuellen Lebensmodells.

Am Ende bleiben keine Fragen an die Autorin mehr, denn von den ersten Ansätzen ihrer Überlegung bis hin zur fundierten Entscheidung mit all ihren Konsequenzen, legt sie jeden erdenklichen Aspekt offen und regt sehr zur Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen und Prinzipien an. Auch und besonders durch ihre inneren, sehr persönlichen Gedanken über den Tod, die authentisch und nahbar durch Tagebucheinträge eingebunden sind. Der Umgang, die Kommunikation mit der Umwelt, den Angehörigen, das Hinterfragen der “heute praktizierten medizinischen Übertherapie” und ein wacher Austausch im Dialog mit Ärzten sind detailliert geschildert, sodass dieses Buch ein wirklich ganzheitliches Bild ergibt von dem Weg, den sie ging und gehen will. Selbst das komplette “Danach” von der Bestattungsart bis zur Trauerfeier ist ausführlich durchdacht und so achtsam wie liebevoll erörtert, dass es für viele sicher auch einen Teil seines Schreckens verliert, der dem Thema ja leider oft anhaftet. 

Beim Zuklappen des Buches lese ich erneut den Titel “Ich sterbe, wie ich will” und nun ist es weniger der Tabu-brechende Ausruf, den er mir erst vermittelt hat, als viel mehr eine friedvolle Aussage, die auf einer Art zu leben beruht. 


Über die Autorin Sabine Mehne:

Sabine Mehne, Darmstadt, ist Autorin. Vor ihrer Krebserkrankung 1995 war sie als Physiotherapeutin und system. Familientherapeutin tätig. Sie setzt sich seitdem intensiv mit dem Sterben auseinander. Zahlreiche Vorträge und Lesungen, u. a. über selbstbestimmtes Sterben. Sie wirbt für eine neue Form der ‚Ars moriendi‘, einem angstfreien Umgang mit Tod und Sterben im 21. Jahrhundert. Ihre Vision ist dazu beizutragen eine gesellschaftlich relevante Auseinandersetzung zu fördern, was sich in vielen Beiträgen bei Fernsehen, Funk, Radio, Filmen und ihrem Podcast zeigt.


Mehr über Sabine Mehne: https://www.licht-ohne-schatten.de/

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