Welche Vorteile gibt es denn nun bei einer Vorsorge? Wie geht man das Ganze am besten an? Ein inspirierendes Interview mit der Autorin Sabine Mehne.
Liebe Sabine Mehne,
Wir haben Dein Buch verschlungen und sind nachhaltig begeistert von der Offenheit, mit der Du Deine Geschichte erzählst und wie Du auch Dein Lebensende so selbstbestimmt gestaltest und darüber sprichst.
Wir haben viele Vorsorge Kunden und möchten auch die, die noch unsicher sind warum und wieso die Vorsorge überhaupt wichtig ist, gerne ermutigen sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen.
Wie bist Du bei Deiner Vorsorge in Sachen Bestattung vorgegangen?
In meiner eigenen Familie und in meinem Umfeld habe ich mehrfach schmerzlich erfahren, was auf die Angehörigen zukommt, wenn gar nichts vorbereitet ist. Plötzlich wird das eigene Leben derart fremdbestimmt, auch durch die irre Erwartung, dass sich die Familie bitteschön darum zu kümmern hat, dass der eigentlich Anlass -der Abschied des Menschen- viel zu kurz kommt. Dieser direkte und persönliche Abschied ist aber nur in einem kurzen Zeitfenster möglich und dafür sollte die Kraft und auch die Hingabe eine Chance bekommen. Ich habe nirgends so viel Liebe spüren dürfen, wie in diesen Momenten meines Lebens: Geburt und Tod. Es ist, als bündelte sich das ganze Leben in höchster Konzentration in diesem Zeitfenster. Ich durfte daraus viel lernen, sodass ich für mich beschlossen habe: Ich möchte es bei mir anders machen.
Also habe ich mich auf die Suche begeben und erfreut festgestellt, dass es heutzutage wundervolle Möglichkeiten gibt. Wenn wir ein neues Auto kaufen, tun wir das doch auch, der Tod ist nichts anderes, wie ein anderes Transportmittel. Wir steigen quasi um. Klug zu wissen, wo dann der nächste Abfahrtsort ist und welches Gefährt für mich bereit steht. So lernte ich in meiner Stadt eine Bestatterin kennen, die andere und neue Formen der Bestattung wagt, die mich sehr angesprochen haben. Wir sind schon jetzt im Kontakt und haben meine Vorstellungen und Wünsche schriftlich zusammengefasst. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch festgestellt, dass ein normaler Sarg nicht in unseren Aufzug passen würde und das Treppenhaus auch zu eng wäre. Ich möchte auf keine Fall in einem Leichensack abtransportiert werden. Würdevoll geht für mich anders. Im Sarg möchte ich aus dem Haus getragen werden. Vor Augen habe ich stets die Sargträger aus Ghana, wie sie hüftschwingend und zu guter Musik den Sarg auf den Schultern wippend balancieren. Damit der Sarg um die Kurve passt und meinen mittlerweile sehr geschrumpften Körper gut beherbergt, hat meine Bestatterin ein Modell ausgewählt und kürzen lassen. Es gibt auch einfache Lösungen, wenn man weiß, was es braucht.
Hast Du einen Tipp wie man dieses, für viele bedrückende, Thema mit mehr Leichtigkeit angehen kann?
Ausprobieren und lachen. Beispiel: Probeliegen im Sarg. Das war zuerst eine ungewöhnliche Perspektive für mich, die ich erstaunlicherweise als angenehm empfand. So ein Sarg ist letztlich wie ein kleines Bett, das letzte Bett zum letzten Hemd. Ich fühlte mich beim Probeliegen erstaunlich geborgen. Geborgenheit im Tod. Das ist es doch, was wir uns alle wünschen. Es kann gelingen, wenn wir uns dafür öffnen. Beim rausklettern aus dem Probesarg blickte ich aber in traurige Gesichter. Weil es mir so gut gefallen hat, habe ich erlöst gelacht. Dieses Lachen hat alle Umstehende erleichtert und half, dass sich weitere Menschen zum Probeliegen entschieden haben. Für Kinder halte ich diese Form der Vorbereitung auch für gut, sie gehen meist viel unverkrampfter damit um. Warum nicht mal einen Familienausflug zum Probeliegen machen? Geisterbahn fahren wir doch auch. Es bringt keinen Menschen um, wenn er mutig neue Perspektiven wagt.
Warum war es dir so wichtig auch diesen Abschnitt des Lebens bzw. sogar bis nach den Tod zu planen?
Für viele Bereiche des Lebens ist es hilfreich, wenn es gelingt sich in die Position der anderen hineinzuversetzen oder mal eine Weile mit deren Schuhen zu gehen. So habe ich mir vorgestellt, wie meine Bestattung für meine Liebsten wäre. Wie würde es ihnen ergehen, wenn sie mich beerdigen sollen. Ich möchte, dass sie bei meinem Abschiedsfest nicht überfordert und völlig entkräftet sitzen. Sie werden schon traurig genug sein, dann sollen sie es wenigsten gut haben. Außerdem ist eine Trauerfeier für mich so etwas wie ein rundes Geburtstagsfest, also etwas besonderes. Für mein Leben gerne habe ich schöne Feste vorbereitet und ausgerichtet, deshalb auch hier. Ich möchte so von dieser Erde gehen können, wie ich gelebt habe. Lachend und weinend, still und heiter, besinnlich und frech, nachdenklich und kreativ. Vor allem aber erlöst und voller Frieden.
Hilfreich war mir dabei auch dieser Gedanke: Jeder kennt mindestens eine Trauerfeier, bei der er denkt: So möchte ich es auf keinen Fall haben. Zu überlegen, was man in keinem Fall für sich haben möchte bringt oft neue Ideen und eben auch diese gewisse Portion Leichtigkeit.
Gibt es bereits jetzt spürbare, positive Auswirkungen dadurch, dass Du dich um diese Belange gekümmert hast?
Auf alle Fälle. Ich bin beruhigt und kann mich selbst darauf freuen. Das wird ein Fest, wenn ich dieses Leben überlebt habe. Es war an manchen Stellen sehr hart, aber immer auch wundervoll schön. Deshalb haben wir unser Mehrgenerationen-Familiengrab schon schön herrichten lassen, ähnlich einem kleinen Garten. Manchmal gehe ich mit meinem Mann dorthin und wir finden es beide gut zu wissen, auch, wenn es etwas kindisch ist: spätestens dort liegen wir dann irgendwann wieder beieinander.
Außerdem ist es wie bei jeder großen Reise, wenn alle Unterlagen bereit liegen, dann kann man irgendwann gut loslegen. Mein Slogan lautet: Tue das Schwere da, wo es leicht ist. Irgendwann hat jeder nämlich keine Kraft mehr für nervige Listen, Verfügungen oder Regelungen. Wohl dem, der vorgesorgt hat. Wer es nicht tut, muss dann nehmen, was er kriegt. Für manchen reicht das sicher auch, für mich wäre das zu wenig.
Was gehört für dich alles zum Thema Vorsorge am Lebensende und wann ist wohl ein guter Zeitpunkt im Leben, um sich damit auseinanderzusetzen?
Die Patientenverfügung und die Vollmachten sind sehr wichtig, auch für junge Menschen. Zu wissen, wo die eigene Geburtsurkunde verstaut ist, ist nicht schlecht. Die wird für den Totenschein gebraucht. Mit der Volljährigkeit wäre es klug, wenn die Eltern das ansprechen. Sollte etwas passieren, dann sind sie es meist, die sich kümmern müssen. Ein Horror in der heutigen Zeit, wenn man dann nicht an die Passwörter kommt.
Den meisten Menschen fällt es sehr schwer sich mal den schlimmsten Fall eines Sterbens vorzustellen und auch, was das für die Angehörigen bedeuten würde. Für mich wäre das: Monatelang beatmet auf einer Intensivstation zu verbringen. Diese Bilder hätten meine Angehörigen dann wahrscheinlich ihr Leben lang im Kopf. Es gilt zu fragen. Was will ich für mich auf keinen Fall? Was möchte ich meinen Angehörigen zumuten?
Letztlich bedeutet Vorsorge für mich auch Ordnung zu schaffen und zu Lebzeiten schon Dinge weiterzugeben, die ich nicht mehr gebrauche und so zu sortieren, dass sich alles gut finden lässt. Damit könnten wir das Abschiednehmen gut üben.
Den gute Zeitpunkt zur Vorsorge gibt es nicht, wohl aber den klugen Menschenverstand. Ich verstehe nicht warum wir es nicht wie im Berufsleben machen. Jährlich eine Inventur. Keiner hat dazu Lust, aber sie muss gemacht werden. Wo haben wir nur unsere Disziplin beerdigt?
Hast Du alles alleine geplant und dir überlegt oder hast Du das mit Deiner Familie besprochen?
Zuerst habe ich es für mich überlegt und dann Schritt für Schritt mit meiner Familie besprochen. Ich war positiv überrascht, dass unsere Kinder mich ermutigten, nur an mich zu denken und zu prüfen, dass es für mich stimmt. Sie bestätigten mir liebevoll, dass für sie alles in Ordnung wäre, wenn sie wüssten, dass es in erster Linie für mich stimmig sei. Das fand ich wirklich großartig. Wenn ich jetzt so vor mich hin sortiere und alles schön mache, dann ist das ein bewusstes Freigeben und Abschied nehmen. Trauer beginnt für mich schon vor dem Tod. Der, der geht muss sich ja auch verabschieden und sein Leben abschließen. Letztlich bleibt dann noch genug übrig, was erst in der realen Situation zu klären ist. Meine Bestatterin kennt meine Wünsche, somit lebe ich in dem guten Gefühl, dass sie dann meine Familie unterstützen wird. Jeder soll nur das machen, was er sich wirklich zutraut. Freiheit ist mir ein hohes Gut, gerade beim Sterben und im Tod. Danach sowieso, davon bin ich überzeugt.
Deine individuelle Vorsorge
Feuer, Erde, Baum oder Wasser? Wie soll Dein Abschied aussehen?
Luna Schön im Interview mit Sabine Mehne | August 2021
Portrait Foto: ©Peter Müller Photography