Wie können wir mehr beim Thema Bestattugsplanung und Abschied auf Nachhaltigkeit achten? Ein Plädoyer und Leitfaden
Das Bedürfnis, im Alltag etwas für den Klimaschutz zu tun, haben mittlerweile viele Menschen. Für Feste wie Hochzeiten und Geburtstage – die man oft mit viel Muße plant – gehört es hoffentlich für immer mehr Menschen dazu, auch über die Nachhaltigkeit der Veranstaltung nachzudenken. Aber wie ist das mit der Ausnahmesituation eines Abschieds?
Nachhaltigkeit in die Bestattungsvorsorge integrieren
Hast du dich schon mal gefragt, wie viel Belastung du für die Natur sein möchtest, wenn du gestorben bist? Die Fragen in diesem Themengebiet sind komplex und fast nie gibt es die eine richtige Antwort. Es könnte Teil unserer Vorbereitung auf das Sterben sein, uns zu fragen, wie viel Nachhaltigkeit wir an welcher Stelle unseres Abschieds vom Leben haben möchten. Ich finde, das gehört in jede Bestattungsvorsorge. Denn dann ist wie bei der Vorbereitung auf ein Fest noch Zeit und Raum für Recherche und kreative Lösungen. In Deutschland baut sich ein Netzwerk verschiedener Gewerke und Berufsgruppen zu nachhaltiger Abschiedskultur auf. Es ist spannend, sich auf die Suche nach Konzepten zu machen.
Nachhaltige Materialien
Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Nachhaltiger Abschied“ beginnt auf der materiellen Ebene. Es gibt Särge ohne Metalle, Lacke und schädliche Kleber, mit Griffen aus Hanf und Holzdübeln statt Schrauben. Sie sind innen mit Baumwolle, Leinen oder Folie aus Cellulose ausgekleidet. Auch Urnen gibt es in verschiedenen nachhaltigen Materialien, beispielsweise aus Filz, Holz und Ton. Selbst die Aschekapsel gibt es in nachhaltigen Varianten. Aber es geht noch um viel mehr Materie bei der Gestaltung eines Abschieds: Grabsteine, Friedhofspflanzen und Grabschmuck, Kerzen, Verpackungen, Papier, Luftballons und Seifenblasen – für alles gibt es nachhaltige Ideen. Ein weites Feld, auf dem es sich lohnt, zu forschen.
Wasser, Erde, Feuer, Luft
Aber was ist denn nun die nachhaltigste Variante einer Bestattung? Tja. Bei einer Erdbestattung gelangen durch Prothesen, Zahnfüllungen, einen nicht nachhaltigen Sarg und durch Rückstände von Medikamenten und Duftstoffen im Körper eines Verstorbenen Schadstoffe in den Boden. Eine Feuerbestattung funktioniert heute meist noch mit fossilen Energieträgern, das sorgt für zusätzlichen Ausstoß von CO². Außerdem werden ein Sarg und eine Urne gebraucht. Es ist ein zusätzlicher Transport zum Krematorium und zurück nötig, der bei der Erdbestattung weg fällt. Krematorien haben oft mit starkem Schadstoffausstoß zu tun – die Filter dieser Anlagen werden als Sondermüll in Salzstöcken gelagert. Auch die Asche selbst kann z.B. durch Schwermetalle sowohl aus dem Körper des Verstorbenen als auch aus dem Verbrennungsvorgang hoch belastet sein.
Bei beiden Bestattungsarten gibt es also „Luft nach oben“ zur Optimierung der Nachhaltigkeit und viele einzelne Komponenten haben Auswirkungen auf deren Grad.
Ökologisch kritisch sehe ich sowohl die oft als besonders naturnah dargestellte Waldbestattung und die Seebestattung. Denn in beiden Fällen wird die meist mit Schadstoffen belastete Asche von Menschen in ein Ökosystem eingebracht, das (im Gegensatz zum herkömmlichen Friedhofsgelände) eigentlich eine andere Aufgabe hat. Die Folgen werden in verschiedenen Studien untersucht, sind bisher aber nicht wirklich abschätzbar.
Digitale Nachhaltigkeit
Die Digitalisierung durchzieht mittlerweile all unsere Lebensbereiche. Zur Erinnerung an Verstorbene gibt es zum Beispiel Gedenkplattformen und digitale Abschiedsfeiern. Die meisten Menschen hinterlassen digitale Spuren, wenn sie sterben. Das Themengebiet digitale Nachhaltigkeit ist sehr komplex, ich möchte hier beispielhaft eine Information geben. Die digitale Infrastruktur in Deutschland braucht 55 Terawattstunden Strom pro Jahr. Das entspricht der Stromproduktion von mindestens zehn mittleren Kraftwerken – allein für die Informations- und Kommunikationstechnik. Daraus ergeben sich 33 Millionen Tonnen Co²-Emissionen im Jahr. Diese großen Zahlen und Mengen sind für die meisten von uns nicht wirklich vorstellbar, aber es gibt hilfreiche Fragen, um die eigene digitale Nachhaltigkeit zu trainieren. Diese lauten: Muss ich das was ich tun möchte digital machen oder geht es auch analog (und funktioniert dann vielleicht sogar besser oder tut mir wohler)? Brauche ich wirklich das neuere/größere Gerät? Brauche ich die neue App? Wie digitalisiert möchte ich meinen Alltag haben? Das Zauberwort für nachhaltige Digitalisierung heißt Suffizienz – also wann ist es genug, wann reicht es aus.
Zum gesamten Thema „Nachhaltige Abschiede“ möchte ich dich ermuntern: Stelle Fragen, suche Antworten! Es gibt Vieles zu entdecken und immer wieder Überraschungen.
Autorin:
Angela Fuß ist Lebens- und Sterbeamme nach Claudia Cardinal mit eigener Praxis (https://fraufussgehtmit.de). Außerdem ist sie Gärtnerin, Diplom-Forstwirtin und Naturpädagogin. Für den Verein für Sterbeheilkunde (https://sterbeheilkunde.de) gibt Angela Seminare zum Thema „Nachhaltige Abschiedsgestaltung“, der nächste geplante Termin ist der 10.4.2021.